"Milch des Mondes fiel aufs Kraut....."

Wer zum ersten Mal den "Freischütz" auf der Bühne erlebt, wird die unheimliche Szene in der Wolfsschlucht als zentralen und bleibenden Eindruck mit nach Hause nehmen - vorausgesetzt die Regie verhindert dies nicht.  In unserem Workshop sorgen die Kinder für eine nachhaltige Wirkung - als Schwarzer Jäger, als unheimlicher Eber oder als Wildes Heer!

Die Felsformationen der Sächsischen Schweiz inspirierten Weber zur Wolfsschluchtszene 

 

Carl Maria von Weber

DER FREISCHÜTZ

Workshop für Kinder und Jugendliche von 6-13 Jahren

Die Uraufführung des "Freischütz" am 18.Juni 1821 im Königlichen Schauspielhaus zu Berlin bedeutete einen Sieg auf allen Linien: nicht nur hatte sich Carl Maria von Weber als Opernkomponist entdgültig durchgesetzt - das Erscheinen dieses Werkes bedeutete den ersten Höhepunkt der romantischen Oper und den endgültigen Sieg über die bis dahin die deutschen Bühnen beherrschende Oper in italienischer Sprache. Trotz einzelner Gipfelwerke wie Mozarts "Entführung aus dem Serail" (1782) und "Zauberflöte" (1791) oder Beethovens "Fidelio" (1805) kann man erst seit der Premiere dieses Werkes von einer eigenständigen deutschen Oper sprechen. Der Triumph ließ auch die Intrigen vergessen, die der Bühnenrealisierung vorangegangen waren. Schnell verbreiteten sich die eingängigen Melodien und wurden zu richtigen "Schlagern", die den Begriff "Volksoper" in höchstem Maße rechtfertigen. Auch die ausländischen Bühnen eroberte sich das Meisterwerk, so u.a. Paris (1824), Sydney (1852) oder New Orleans (1867).

Der Komponist

Carl Maria von Weber (das "von" hat sich sein Vater selbst zugelegt) wird am 18. (oder 19.) November 1786 im holsteinischen Eutin als Sohn des Stadtmusikus Franz Anton Weber und seiner Frau Genovefa geboren. Schon bald verlässt die Familie die Stadt und geht mit einer eigenen Schauspieltruppe auf Wanderschaft. 1706 erhält der Sohn in Hildburghausen (Thüringen) Klavierunterricht. 1797 ist Joseph Haydns Bruder Michael sein  Kompositionslehrer in Salzburg. In dieser Zeit entstehen auch seine ersten Singspiele "Die Macht der Liebe und des Weins" (1798) und "Das Waldmädchen" (1800). Erste Engagements als Kapellmeister führen ihn nach Breslau und Stuttgart. Nach der Aufdeckung finanzieller Manipulationen allerdings werden Weber und sein Vater vom König von Württemberg des Landes verwiesen (1810). Die folgenden Jahre verbringt der Komponist auf Konzertreisen durch Deutschland. 1811 wird in München seine Oper "Abu Hassan" uraufgeführt, ein  heiteres Singspiel, das sich lange Zeit einer gewissen Beliebtheit erfreute und das auch heute noch Musikfreunden - dank verschiedener Aufnahmen - ein Begriff ist. 1813 wird Weber Kapellmeister und Operndirektor in Prag - und zwar am Ständetheater, an dem 1787 Mozarts "Don Giovanni" das Licht der Bühnenwelt erblickt hatte. Ab 1816 wirkt er als Direktor der deutschen Stagione an der Hofoper Dresden. 1817 heiratet er die Sängerin Caroline Brandt, die bereits in "Abu Hassan" die weibliche Hauptrolle verkörpert hatte.

Nach dem riesigen Erfolg des "Freischütz" schreibt Weber sein wohl richtungsweisendstes musiktheatralisches Werk: "Euryanthe" (Wien, 1823). Es ist seine erste durchkomponierte Oper, die auf den im deutschen Singspiel üblichen Wechsel von gesungenen und gesprochenen Partien verzichtet. Sein letztes Bühnenwerk entsteht für London: "Oberon" (1826) verbindet Motive aus Shakespeares "Sommernachtstraum" mit einer orientalischen Märchenhandlung. Zwei Monate nach der glanzvollen Uraufführung stirbt Weber in London an Lungentuberkolose (5.Juni 1826), kaum vierzigjährig. 1844 lässt Richard Wagner, ein Nachfolger im Kapellmeisteramt der sächsischen Hofoper, den Sarg des Komponisten nach Initiierung einer groß angelegten Spendenaktion nach Dresden überführen und in der Familiengruft beisetzen. In seiner 1818 erschienenen biographischen Skizze hat Weber folgende Worte an den Schluss gestellt: "Wenn sie einmal einen Stein über meine Hülle legen, so werden sie mit Wahrheit darauf schreiben können: Hier ruht einer, der es wahrhaft redlich und rein mit Menschen und Kunst meinte."  

Von seinen Bühnenkompositionen konnte bis zum heutigen Tag einzig und allein der "Freischütz" Eingang ins Repertoire finden. Dass die anderen Opern - selbst Meisterwerke wie "Euryanthe" und "Oberon" - trotz zahlreicher engagierter Wiederbelebungsversuche Außenseiter blieben, liegt nicht an der grandiosen Musik, sondern vielmehr an der Bühnenuntauglichkeit der Libretti. Weber hat auch Schauspielmusiken geschrieben, von denen sich vor allem die Ouvertüre zu Pius Alexander Wolffs "Preziosa" neben der Euryanthe- und Oberon-Ouvertüre einen Platz im Konzertrepertoire sichern konnte. Dort begegnet man auch häufiger seinen reinen Instrumentalwerken, so den beiden Symphonien (1807), dem Fagottkonzert (1811/22) und - last but not least - den beiden herrlichen Klarinettenkonzerten (1811). Ein Werk, das alle vorgenannten an Popularität übertrifft, entstammt allerdings dem Klavierwerk. Es ist das berühmte Rondo brillant Op.65 (1819), besser bekannt unter dem Titel "Aufforderung zum Tanz". Sein programmatischer Inhalt: Ein junger Mann wirbt auf einem Ball um ein Mädchen - Tanz (Walzer). Zur weltweiten Verbreitung dieses kleinen Stücks hat nicht zuletzt die glänzende Orchesterfassung des großen Weberverehrers Hector Berlioz beigetragen, so dass es heute fester Bestandteil des Repertoires auch von Salonorchestern und Kurkapellen ist.

Die Handlung der Oper

Böhmen in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Kriege.

Kaspar überredet Max zum Gießen von Freikugeln

Der erste Akt spielt auf einem freien Platz vor einer Waldschänke. Der Bauer Kilian ist gerade zum Schützenkönig ausgerufen worden. Max, ein Jägerbursche, hat beim Preisschießen, dem so genannten "Sternschießen", nur Pech gehabt und wird nun von Kilian und der Landbevölkerung gehänselt (Spottlied: "Schau der Herr mich an als König"). Max ist äußerst niedergeschlagen, am morgigen Tage soll er vor dem Fürsten den entscheidenden Probeschuss ablegen. Versagt er, so muss er auf die Hand Agathes, der Tochter des Erbförsters Cuno, und damit auch auf die Erbförsterei verzichten. Cuno ermahnt ihn, alle seine Kräfte zu sammeln. Die Jäger ziehen ab, die Bauern rüsten zum Tanz. Max bleibt verzweifelt allein zurück (Arie: "Durch die Wälder, durch die Auen"). Sein Kollege Kaspar gesellt sich zu ihm. Dieser hat sich Samiel, dem Wilden Jäger, verschrieben, dem er verfallen muss, sollte es nicht gelingen, ihm ein neues Opfer zuzuführen. Dieses soll nun Max sein. Zunächst versucht Kaspar ihn betrunken zu machen (Trinklied: "Hier im ird'schen Jammertal"), dann lässt er ihn mit seiner Büchse einen Adler vom dunklen Abendhimmel herabholen und erklärt ihm, er habe mit einer Freikugel geschossen, die allein ihm noch beim Probeschuss helfen könne. Max geht schließlich auf den Vorschlag ein. Um Mitternacht soll er in der Wolfsschlucht die Freikugeln empfangen.

Der zweite Akt führt uns in eine Stube des Försterhauses, wo Agathe von düsteren Ahnungen gequält wird. Ännchen versucht die Freundin aufzuheitern. Es ist bereits spät und Max noch immer nicht zurück. Sehnsüchtig wartet Agathe auf den Gliebten (Arie: "Leise, leise, fromme Weise"). Als er endlich kommt, erklärt er, gleich wieder fort zu müssen, um einen Hirsch hereinzuholen, den er in der Nähe der Wolfsschlucht schießen konnte. Er eilt in die Nacht, die Mädchen bleiben ängstlich zurück.

 In der Wolfsschlucht:  Das Wilde Heer rüstet zum Angriff

In der Wolfsschlucht beschwört Kaspar Samiel, ihm seine Lebensfrist zu verlängern, da er ihm ein neues Opfer zuführen werde. Max erscheint auf der Höhe des Felsens, voll Grauen blickt er in die unheimliche Schlucht: der Geist seiner Mutter sowie eine Erscheinung Agathes, die in den Fluss zu stürzen droht, warnen ihn vor seinem Vorhaben; er entschließt sich aber doch, zu Kaspar hinabzusteigen. Unter unheimlichen Beschwörungen beginnt Kaspar die Freikugeln zu gießen, von denen sechs unweigerlich treffen, die siebente hingegen vom Bösen gelenkt wird. Immer unheimlicher wird der Höllenspuk, der die Wolfsschlucht erfüllt. Beim Gießen der sechsten Kugel zieht das Wilde Heer vorüber, bei der siebenten erscheint unter Donner und Blitz Samiel selbst. Max bricht ohnmächtig zusammen; aus der Ferne schlägt es Eins.

Dritter Akt. Agathe, bräutlich geschmuckt, ist im Gebet versunken. Erneut plagen sie düstere Vorahnungen, von denen sie Ännchen abzulenekn versucht (Romanze: "Einst träumte meiner sel'gen Base"). Die Brautjungfern kommen und singen ihr Reigenlied: "Wir winden dir den Jungfernkranz". In der Schachtel, die den Brautkranz enthalten soll, findet Agathe einen Totenkranz. Allgemeine Bestürzung! Schnell flicht Ännchen einen Kranz aus weißen Rosen, die Agathe von einem frommen Eremiten erhalten hat.

Im Wald, wo auf einer großen Lichtung das Prunkzelt des Fürsten Ottokar aufgestellt worden ist, delektieren sich die Jäger indessen an Speise und Trank und stimmen einen Chor an: "Was gleicht wohl auf Erden". Max hat bereits seine Kugeln erfolgreich verschossen - bis auf die siebente. Der Fürst fordert ihn nun zum eigentlichen Probeschuss auf. Er soll die weiße Taube herunterholen, auf die der Fürst hinweist. Max schießt, da tritt Agathe aus der Baumgruppe hervor, in der die Taube saß. Diese flattert davon und Agathe stürzt leblos zu Boden. Alles bemüht sich um die Ohnmächtige, die sich nur langsam erholen kann. Zu Tode getroffen ist aber Kaspar, der unter fürchterlichen Verwünschungen stirbt. Fürst Ottokar verlangt von Max eine Erklärung der unheimlichen Vorkommnisse. Dieser gesteht seinen Frevel und wird des Landes verwiesen. Erst als sich der fromme Eremit für ihn einsetzt und den Fürsten um Milde bittet, lässt sich dieser erweichen. Dem Unglücksschützen wird ein Probejahr bewilligt. Bewährt er sich, so soll er in Gnaden aufgenommen werden und Agathes Hand erhalten.

Der weise Eremit bittet für Max und Agathe - daneben die drei Brautjungfern

Text und Musik

Schon von seinem Sujet her ist der "Freischütz" ein typisches Produkt der ab etwa 1800 anbrechenden Romantik, deren Bestreben es war, die Abgründe der menschlichen Seele, die sich unter der scheinbaren Glätte bürgerlicher Existenz auftun, auszuloten. In der Einsamkeit des Jägerburschen Max, seinen Zweifeln und enttäuschten Hoffnungen, erkennen wir bereits den modernen Menschen mit seinen Existenzängsten, denen er scheinbar hilflos ausgeliefert ist. Aus dieser Sichtweise ist auch Kaspar kein gewöhnlicher Schurke - er verkörpert vielmehr jene unterdrückten Triebe und nicht bewusst wahrgenommenen Ängst, so dass er als Maxens dämonisches Alter Ego begriffen werden kann. Und die Verwirrung bzw. Lösung des gordischen Knotens, in den der gutmütige Jägerbursche ahnungslos als Spielball dunkler Mächte geknüpft wurde, findet wie in Shakespeares "Sommernachtstraum" in Walde statt. Aus diesem Grund auch wurde der Wald von dem deutschen Komponisten Hans Pfitzner (1869-1949) als die eigentliche Hauptperson der Oper bezeichnet - was sich bereits in der Ouvertüre ausdrückt, wenn gleich zu Beginn in den Streichern und Hörnern ein stimmungsvolles Thema erklingt, das in seiner volkstümlichen Schlichtheit Waldesstimmung suggeriert. Die Auseinandersetzung zwischen dem Guten im Menschen (verkörpert durch Agathe und Cuno) und dem Bösen (Kaspar und die dämonischen Kräfte) macht aus einem schlichten Singspiel ein Werk von nahezu faustischer Größe - das Ringen des Menschen mit sich selbst.

In der Musik beschritt Weber in vieler Hinsicht zukunftsweisende Wege. Neben dem französischen Komponisten Hector Berlioz (1803-69) gilt er als Begründer der romantischen Orchestersprache, die einerseits durch eine Vergrößerung des Orchesterapparates, andererseits durch das Streben nach erweiterten Ausdrucksmöglichkeiten gekennzeichnet ist.

Zur Quelle seiner melodischen Erfindeung wird das Volkslied, das Pate steht bei berühmten Nummern der Partitur, wie Agathes Kavatine"Leise, leise, fromme Weise", dem Jägerchor, dem Brautjungfernlied "Wir winden dir den Jungfernkranz" oder dem Spottlied Kilians "Schau der Herr mich an als König". Gleichzeitig wird die Dämonie des Waldes und der unheimlichen Mächte mit suggestiven Klangfarben in Szene gesetzt:  Chromatische Läufe der Violinen, die bevorzugte Verwendung des verminderten Dominantseptakkordes, Streichertremoli sowie der unkonventionelle Einsatz der Instrumente (z.B. Klarinetten in tiefer Lage). Dieser Weg, den Weber in seiner "Euryanthe" konsequent fortsetzte, führte in weiterer Folge zum Musikdrama Richard Wagners - vor allem durch die Einführung von Leitmotiven, die dem Werk dramaturgischen Zusammenhalt verleihen. Dem Samielmotiv (Streichertremolo, von Paukenschlägen sekundiert), das das jeweilige Erscheinen des Schwarzen Jägers begleitet, steht das Agathenthema (in strahlendem C-Dur) gegenüber, das die Ouvertüre sowie Agathes große Arie im 2.Akt triumphal beschließt und auch das Finale der Oper bildet.

Der Workshop

Getreu unserem Motto "Klassik für Kinder" wollen wir die Schüler - sowohl die kleinen wie auch die größeren - mit  der deutschen Oper schlechthin vertraut machen und sehen unsere Bemühungen in einer praktischen Ergänzung des Unterrichts. Da es sich beim Thema um eine Sage - also eine Verwandte des Märchens - handelt, bieten wir unseren Workshop nicht nur in Haupt-, Realschulen oder Gymnasien an, sondern vor allem auch in Grundschulen - in zwei Fassungen.

Die Kinder und Jugendlichen können sich in die Empfindungsweisen der Personen unseres Stücks einleben und  Rollen wie Kaspar, Max, Kuno, Ottokar, Agathe, Ännchen, Samiel oder den Eremiten durch ihr eigenes Spiel mit Leben erfüllen. Zu diesem Zweck haben wir aus den Originaldialogen der Oper 7 markante Szenen ausgewählt, die den Gang der Handlung dokumentieren. Diese kleinen Dialoge werden mit den Schülern erarbeitet und gleichzeitig gespielt - mit Kostümen und Requisiten. Daneben gibt es noch jede Menge an stummen Rollen - Wilder Eber, Gespensterheer usw. - Natürlich soll auch der Gesang gepflegt werden - das berühmte Brautjungfernlied "Wir winden dir den Jungfernkranz" wird von allen Teilnehmern gesungen. 

Geburtshaus Carl Maria von Webers in Eutin